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NRW gilt als Hochburg radikaler Salafisten, daher sind Präventionsmaßnahmen, die die Radikalisierung gerade junger Menschen verhindern, hier besonders wichtig. Der CDU-Landtagsabgeordnete Gregor Golland hat sich deshalb bei der Landesregierung erkundigt, inwieweit sie solche Maßnahmen fördert und in welchen Regionen Nachholbedarf besteht.

Hintergrund ist der Erfolg der Kölner Präventions- und Hilfsinitiative „180°-Wende“, die bereits rund 800 Jugendliche in Köln aus der salafistischen Szene holen konnten. Die Sozialarbeiter setzen schon vor der Radikalisierung an. Wo es bereits zu spät ist, werden Perspektiven und Alternativen aufgezeigt.

Die Landesregierung selbst fördert diese Maßnahme nicht, hat sich aber gegenüber dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dafür eingesetzt, Mittel des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ für Projekte in NRW zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört auch „180°-Wende“, das seit Februar 2015 vom Bund als Modellprojekt gefördert wird. So teilt es NRW-Innenminister Ralf Jäger dem Abgeordneten mit.

Vier Projekte werden vom Land selbst bezuschusst, meist aus Mitteln des Bundesprogramms. Der Schwerpunkt liegt auf dem Aufbau eines landesweiten Kompetenz- und Beratungsnetzwerks. Projektträger ist die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS). In allen Kommunen in NRW sollen zentrale Ansprechpartner etabliert werden, die zur Salafismus-Prävention beraten und weitervermitteln können. Adressaten sind zum Beispiel Akteure der Jugendarbeit, Schulen, Sportvereine oder Moscheegemeinden. Die Vernetzung mit bestehenden Projekten wie „180°-Wende“ steht ebenfalls im Fokus.

„Insgesamt sind 2015 rund 80.000 Euro an Fördermitteln für Projekte in NRW geflossen – das ist leider viel zu wenig und dem Problem überhaupt nicht angemessen“, bemängelt Golland.

Wo konkret Nachholbedarf bezüglich der Prävention besteht, teilt der Minister nicht mit. Stattdessen verweist er auf bisherige Maßnahmen: So hat der Verfassungsschutz NRW in allen fünf Regierungsbezirken Regionalkonferenzen für Teilnehmer aus den Bereichen Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Integration, aber auch der Polizei veranstaltet. Außerdem steht die Broschüre „Extremistischer Salafismus als Jugendkultur – Sprache, Symbole und Style“ des Verfassungsschutzes im Internet bereit und kann beim Innenministerium auch in Druckform angefordert werden.

Darüber hinaus ist geplant, das landeseigene Präventionsprogramm „Wegweiser“ auszuweiten. Zu den Anlaufstellen in Bochum, Bonn und Düsseldorf ist Wuppertal hinzugekommen, aktuell werden weitere Stellen in Dinslaken, Dortmund, Köln und Duisburg eingerichtet. Bis Ende 2016 kommen Aachen, Essen, Münster, Mönchengladbach und Ostwestfalen-Lippe hinzu. Das Innenministerium selbst bietet landesweit ein telefonisches Beratungsangebot unter 0211/8712728.

Die Nachfrage in den „Wegweiser“-Anlaufstellen ist laut Jäger enorm, über 2000 Anfragen seien bereits bearbeitet worden. Weitere konkrete Zahlen nennt der Minister nicht, da der Erfolg des Projektes daran alleine nicht zu messen sei. Die Arbeit der Anlaufstellen bestehe aus „längerfristigen Prozessen“ zur Vorbeugung. Eine Bewertung soll erst im Rahmen einer wissenschaftlichen Auswertung im Jahr 2016 erfolgen.

„Wenn so viel Beratungsbedarf besteht, wäre es umso wichtiger, dass die Landesregierung wesentlich mehr Präventionsprojekte fördert“, betont Golland. „Überlastete Mitarbeiter können nicht effektiv vorgehen und Radikalisierungen gezielt verhindern. Rot-Grün muss sich außerdem beim Bund noch vehementer für die Bereitstellung von Fördermitteln einsetzen.“

Wie viele Personen bislang in NRW aus der salafistischen Szene ausgestiegen sind, teilt der Innenminister nicht mit. „Kennt er die Zahlen nicht, oder sind sie so lächerlich gering, dass er sie lieber verschweigt?“, fragt der Abgeordnete. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie viele radikalisierte Islamisten schon zum Ausstieg bewegt werden konnten. Diese Auskunft erwarte ich von der Landesregierung.“

Die Broschüre des Verfassungsschutzes kann hier heruntergeladen werden: www.mik.nrw.de/verfassungsschutz/aktuelles