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Inwieweit gefährden aus dem Nahen Osten zurückgekehrte Islamisten die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen und was hat es mit dem Aussteigerprogramm des Innenministeriums auf sich? Innenminister Ralf Jäger informierte die Medien kürzlich über dieses Programm – jedoch nicht den Innenausschuss des Landtags. Dessen Mitglied und CDU-Abgeordneter Gregor Golland hinterfragte das Thema in zwei parlamentarischen Kleinen Anfragen und ließ sich die Zahlen der ausgereisten und zurückgekehrten Islamisten genau auflisten.

Ergebnis: 175 Personen, bei denen es Anhaltspunkte für den Anschluss an eine dschihadistische Gruppe gibt, sind zwischen 2012 und 2015 – Stichtag 25. März – von NRW in Richtung Syrien oder Irak ausgereist. „Auffällig ist, dass es sich hauptsächlich um junge Menschen zwischen 21 und 30 Jahren handelt. Und besonders signifikant ist der vergleichsweise hohe Anteil junger Frauen aus NRW, die in den Dschihad ziehen. Fünf von sechs Ausgereisten waren Frauen“, stellt CDU-Innenexperte Golland fest.

Zusätzlich wurden etwa 75 Salafisten aus NRW gezählt, die seit 2012 mehrmals an die türkisch-syrische Grenze reisten, um angeblich Hilfsgüter zu verteilen. Weitere 16 Personen hielten sich so kurz im Nahen Osten auf, dass davon ausgegangen wird, dass sie sich keiner dschihadistischen Miliz angeschlossen haben. Golland: „Warum können Salafisten und Sympathisanten ungehindert aus- und einreisen, ohne dass die Behörden einschreiten? Diese Leute sind doch offenbar bekannt. Was hilft einem die statistische Erfassung von Reisebewegungen, wenn die Gefahr nicht gebannt wird?“

Ab 2013 sind 50 Rückkehrer verzeichnet. Überwacht werden sie laut Jäger durch Polizei und Verfassungsschutz mit Hilfe aller rechtlich zulässigen Maßnahmen. Grundsätzlich würden alle Rückkehrer zunächst für resozialisierbar gehalten, erläutert der Minister.

Vor allem desillusionierten Rückkehrern, von denen keine Straftaten zu erwarten sind, werde Hilfe durch ein „Aussteigerprogramm Islamismus“ angeboten. Dabei handele es sich um ein eigenständiges Programm im Rahmen der Salafismus-Prävention, das seit Oktober 2014 bestehe.

Die Erfahrungen, gerade im Zusammenhang mit einer Hotline des Innenministeriums für Ratsuchende, hätten gezeigt, dass „eine besondere Expertise und ein eigenes Konzept erforderlich sind“, um Ausstiegswilligen zu helfen, teilt Jäger dem Abgeordneten mit. Zwei Mitarbeiter des Verfassungsschutzes kümmerten sich um solche Personen und arbeiteten dabei mit externen Fachleuten und Behörden zusammen. Generell seien elf Mitarbeiter für die Präventionsarbeit im Bereich Rechtsextremismus und Islamismus zuständig.

Das Aussteigerprogramm gibt „Hilfe zur Selbsthilfe“, unterstützt etwa bei Behördengängen und der Arbeitssuche. Voraussetzung für die Teilnahme sind ein erklärter Wille zum Ausstieg und der Abbruch aller Kontakte zur islamistischen Szene. Ob der Wille wirklich gegeben ist, wird in ersten Gesprächen und während des gesamten Prozesses überprüft. In der Regel wendeten sich die Ausstiegswilligen selbst an den Verfassungsschutz, oder der Wunsch werde über Dritte mitgeteilt.

„Erst auf Nachfrage rückt Herr Jäger diese wichtigen Informationen heraus. Der Innenausschuss hätte längst über das Programm informiert werden müssen“, bemängelt Golland. Bislang erhielten die Abgeordneten lediglich Auskunft zum Präventionsprogramm.

Der Christdemokrat fragte auch nach, wieso NRW eine Hochburg des Salafismus in Deutschland ist. Gemessen an der Einwohnerzahl und der Zahl der hier lebenden Muslime sei das Bundesland nicht „überproportional“ betroffen, sagt Jäger – um gleich darauf zu erklären, dass sich durch den hohen Anteil muslimischer Einwohner in NRW „zwangsläufig eine quantitative Problembetroffenheit“ ergebe. „Damit widerspricht sich der Innenminister doch selbst“, betont Golland und resümiert: „Es ist mir unverständlich, dass der Staat der Ausreise von 266 Islamisten in Richtung Syrien einfach zugeschaut hat. Sollen sich die Zahlen noch erhöhen? Wieso wird die Ausreise als gefährlich eingestufter Personen nicht grundsätzlich verhindert?“

Weitere Informationen:
Antwort auf Kleine Anfrage (Drucksache 16/8362)
Antwort auf Kleine Anfrage (Drucksache 16/8397)